Sie leben in der Türkei und wollen nach Deutschland migrieren? Das wird nicht einfach. Hier sind fünf Möglichkeiten zur Auswanderung, vier davon legal.
Machen Sie sich vorab einen Plan, damit Sie sich nicht im Blätterwald verlieren: Eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu bekommen, ist für Drittstaatsangehörige eine ziemlich bürokratische Angelegenheit. Das Arbeitsvisum können Sie zum Beispiel beim Deutschen Konsulat in Istanbul beantragen.
Sollten Sie bereits in der glücklichen Lage sein, ein Jobangebot mit einem Bruttojahresgehalt von mehr als 50.800 Euro zu haben, können Sie direkt die Blaue Karte EU beantragen. Wenn Sie Naturwissenschaftler*in, Informatiker*in oder Ärzt*in sind, reicht schon ein Jobangebot mit einem Bruttojahresgehalt von 39.624 Euro.
Soviel verdienen Sie in Ihrem neuen Job nicht? Okay, dann muss die deutsche Arbeitsagentur zustimmen. Wenn Sie noch keine Stelle in Deutschland gefunden haben, kommt für Sie das Visum zur Arbeitsplatzsuche in Frage: Sechs Monate haben Sie mit diesem Zeit, in Deutschland einen Job zu finden. Voraussetzung: Sie können nachweisen, dass Sie sich selbst finanzieren können; arbeiten dürfen Sie in dieser Zeit nämlich nicht. Wenn Sie einen Job gefunden haben, können Sie direkt bei der Ausländerbehörde vor Ort ein Arbeitsvisum beantragen.
Gehören Sie einer Berufsgruppe an, die in der Türkei von Inhaftierung oder Berufsverbot bedroht ist? Für JournalistInnen und AkademikerInnen gibt es Stipendien, mit denen Sie für deutsche Verhältnisse unbürokratisch und kurzfristig nach Deutschland kommen können.
Die Philipp-Schwartz-Initiative vergibt Stipendien an gefährdete Akademiker*innen, die damit für zwei Jahre an deutschen Hochschulen arbeiten können und dafür eine Pauschale bekommen. Sie können sich nicht direkt für das Stipendium bewerben; wenden Sie sich stattdessen an deutsche Hochschulen, die Sie nominieren dürfen. Lassen Sie sich zudem beim Scholars at Risk Network registrieren. Vielleicht kommt eine Hochschule auf Sie zu, die Sie gerne aufnehmen würde.
Das Netzwerk schätzt auch Ihre Gefährdung ein und erstellt einen Nachweis, den Sie bei der Philipp-Schwartz-Initiative erbringen müssen. Als Journalist*in können Sie sich für das Internationale Journalistenprogramm der Johannes-Rau-Stiftung bewerben. Mit dem Stipendium können Sie zwei Monate in einer deutschen Gastredaktion arbeiten und bekommen eine monatliche Vergütung. Zwei Monate sind zwar kein langfristiger Ausweg, aber vielleicht ergibt sich daraus ja ein Job.
Einen Vorteil haben beide Stipendien allemal: Sie sind in Deutschland direkt in ein Arbeitsumfeld eingebunden. Knüpfen Sie Kontakte, bauen Sie ein Netzwerk auf; über Beziehungen findet sich oft eine Stelle, mit der man wiederum bessere Aussichten auf einen Aufenthaltstitel hat.
Verlieben Sie sich in eine*n nette deutsche*n Staatsbürger*in oder in eine Person, die dauerhaft im Bundesgebiet lebt. Machen Sie ihr oder ihm einen Heiratsantrag. Wenn sie oder er nein sagt, sollten Sie rund 30.000 Euro besorgen, und eine Scheinehe anbieten. Im besten Fall handeln Sie einen niedrigeren Preis heraus. Aber zahlen Sie nicht das ganze Geld sofort.
Sie müssen nämlich drei Jahre in Folge auf der Ausländerbehörde gemeinsam erscheinen und Ihre Ehe bestätigen, bevor Sie das Recht auf einen unbefristeten Aufenthaltsstatus haben. Also: höchstens 10.000 Euro pro Jahr. Und Vorsicht: Eine Scheinehe einzugehen ist in Deutschland strafbar. Wenn Sie auffliegen, werden Sie sofort ausgewiesen.
Wenn Sie in Deutschland heiraten wollen, beantragen Sie beim Konsulat ein so genanntes Heiratsvisum. Sie können allerdings auch in der Türkei heiraten und anschließend ein Visum zur Familienzusammenführung beantragen. Haben Sie Geduld, die Konsulate haben aufgrund der erhöhten Anfrage längere Wartezeiten. Sie können in der Zwischenzeit einen überzeugenden Paarauftritt üben, falls Sie keines sind.
Oder ein wenig Deutsch lernen, denn Sie werden später in Deutschland nach einem Einstufungstest in den Integrationskurs geschickt. Und der dauert in der Regel 900 Stunden, wenn man bei Null anfängt.
Wenn Sie an einer türkischen Hochschule eingeschrieben sind, klappern Sie die Liste der deutschen Erasmus-Hochschulpartner ab. Meistens gibt es gleich mehrere. Schreiben Sie alle angegebenen Ansprechpartner an den jeweiligen International Offices an und informieren Sie sich darüber, ob Sie Deutschkenntnisse nachweisen müssen.
Manche Unis akzeptieren auch Englischkenntnisse. Besuchen Sie anschließend das zuständige Büro an ihrer Heimat-Uni und erfragen Sie, für welche deutsche Partner-Hochschule die Nachfrage am höchsten ist. Vermeiden Sie, sich an dieser zu bewerben. Außer Sie erwarten Topergebnisse vom Sprachtest.
Denn wenn sich mehrere Student*innen um dieselbe Hochschule bewerben, schickt die Heimat-Uni meist den mit der höchsten Punktzahl. Sobald Sie sich beworben und die Aufnahmebestätigung erhalten, ist der Rest einfach. Mit dem Programm können Sie zumindest für zwei Semester nach Deutschland kommen. Erasmus-Student*innen haben bislang keine Probleme, ein Visum zu bekommen. Noch ist der Erasmus-Vertrag mit der Türkei nicht außer Kraft gesetzt.
Auf einem maroden Boot übers Meer von der Türkei nach Europa zu kommen, ist ein Weg, den niemand freiwillig wählt. Gehen wir davon aus, Sie nehmen das Risiko dennoch in Kauf. Gehen Sie in eins dieser Viertel in Istanbul, in dem sich die Flüchtlinge aufhalten und versuchen Sie Ihr Glück. Suchen Sie einen schaufensterlosen Laden, an dessen Tür eine Schwimmweste hängt.
Oder versuchen Sie die Männer zu finden, die – ebenso zwielichtig wie das Boot, in das Sie steigen werden – ein altes Handy in den Händen, auf den Plätzen dieser Viertel herumlungern. Ihrem äußeren Aussehen und Ihrer Herkunft entsprechend wird der Preis steigen. Übergeben Sie die zehntausende von Euros jemandem, der Sie höchstwahrscheinlich betrügt.
Selbst dann ist der Weg übers Meer alles andere als ein leichtes Unterfangen. Seitdem das Flüchtlingsabkommen zwischen der Türkei und der EU im April 2016 verabschiedet wurde, wird die Ägäis strenger überwacht. Neben der türkischen und der griechischen Küstenwache patrouillieren NATO-Schiffe vor der ägäischen Küste. Berichten zufolge sind nach dem Türkei-Deal die Grenzübertritte um 90 Prozent gesunken.
Im Jahr 2016 gab es in der Ägäis insgesamt 779 irreguläre Grenzübertritte und 34.481 Personen wurden gefasst. 192 Menschen verloren ihr Leben. Ganz zu schweigen von den Statistiken des Jahrs 2015 und denen, die versuchten, über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen, nachdem die Ägäis-Route dicht gemacht worden war.
Wenn Sie in Deutschland angekommen sind, können Sie bei jeder Behörde einen Asylantrag stellen. Melden Sie sich also zum Beispiel bei der Polizei oder der Ausländerbehörde. Dort werden Sie registriert und bekommen einen temporären Ausweis, mit dem Sie berechtigt sind, sich in Deutschland aufzuhalten. Danach wird Ihnen eine Aufnahmeeinrichtung zugewiesen, in der Sie während des Asylverfahrens wohnen werden.
Es ist wahrscheinlich, dass Sie in eine andere Stadt geschickt werden; wo Sie wohnen, dürfen Sie während Ihres Asylverfahrens leider nicht selbst entscheiden. In einer Außenstelle des Bundesamts für Asyl und Migration (BAMF) bekommen Sie dann einen Termin zur persönlichen Anhörung, in der Sie mit Hilfe eines Dolmetschers Ihre Fluchtgründe darlegen sollen. Dieser Termin ist der wichtigste Schritt im Asylverfahren; bereiten Sie sich gut darauf vor.
Zahlreiche Flüchtlingsinitiativen bieten Asylberatungen an. Auf Grundlage dieses Gesprächs entscheidet das BAMF dann, ob Ihr Asylantrag bewilligt wird. Weitere Informationen zum Asylverfahren finden Sie unter hier.
Eine Übersicht zu den verschiedenen Möglichkeiten, nach Deutschland zu kommen, bietet außerdem die Seite Almanya Now.