Die österreichische Grünen-Abgeordnete Alev Korun beobachtete das Referendum. 2,5 Millionen Stimmen könnten manipuliert sein, sagt sie.
Eine neue Erklärung von Seiten der internationalen Wahlbeobachter stellt erneut die Legitimität des Referendumsergebnisses in Frage. Alev Korun, Grünen-Abgeordnete in Österreich, wurde vom Europarat entsandt, um das Referendum in der Türkei zu verfolgen.
Die 47-Jährige erklärt, dass rund 2,5 Millionen Stimmen manipuliert sein könnten. Nicht nur das Ergebnis, auch die Abstimmung an sich sei fragwürdig verlaufen, so Korun. Die Wahlbeobachterin macht deutlich, dass es unter diesen Umständen unmöglich sei, das Wahlergebnis für gültig zu erklären.
“Schon im Vorfeld des Referendums kam es zu fragwürdigen Verfahrensweisen gegen die ‚Nein‘-Kampange. Der Wähler wurde daran gehindert, von seinem demokratischen Recht Gebrauch zu machen und frei zu wählen“, erklärt Korun am Telefon und fügt hinzu, dass es vor allem in den kurdischen Gebieten zu Unstimmigkeiten kam.
In diese Region, in der übrigens die höchste Anzahl von ungültigen Stimmen registriert wurde, seien die Wahlbeobachter kaum reingelassen worden: “Der Weg nach Diyarbakır wurde blockiert. Die Mitglieder wurden unterwegs zweimal von der Polizei angehalten. Allein, dass dieses Referendum während des Ausnahmezustands gemacht wurde, verstößt gegen das Recht.“
Nachdem die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) schon am Montag die späte Wahlgesetzesänderung durch das Hohe Wahlamt (YSK) kritisiert hatte, wies Recep Tayyip Erdoğan die Vorwürfe in gewohntem Tonfall zurück: “Eure politischen Berichte sehen wir nicht, hören wir nicht, und erkennen wir nicht an.“ Auch das Hohe Wahlamt meldete sich zu Wort: “Es gab keinen Wahlbetrug.“
Alev Korun merkt an, dass Aussagen dieser Art in einem Rechtsstaat verblüffend und unerklärlich seien: “Der YSK-Leiter sagt, es habe keinen Betrug gegeben. Doch wir wissen nicht, auf welcher Grundlage er das behauptet. Denn es ist schlicht unmöglich 2,5 Millionen Stimmen innerhalb eines Tages zu überprüfen.“
Auffällig ist, dass auch in den Berichten der Oppositionsparteien CHP und HDP die Rede von 2,5 Millionen ungültiger Stimmen ist. Die Erkenntnisse der internationalen Wahlbeobachter und der Opposition stimmen eindeutig überein. Was die nächsten Schritte angeht, äußert sich Korun so:
“Die Opposition beantragt beim Hohen Wahlamt gerade die Annullierung des Referendums. Wenn dieser Antrag abgelehnt wird, muss man sich an den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) wenden. Der EGMR wird bestätigen, dass dieses Ergebnis nicht legitim ist und die Türkei wird darauf reagieren müssen. Die Vorwürfe und Erkenntnisse sind eindeutig. Auch die EU wird das Ergebnis nicht anerkennen.“
In Ankara und in Istanbul haben sich am Dienstagmittag zahlreiche Bürger*innen vor den Büros des YSK versammelt, um ihre schriftlichen Einsprüche gegen die Wahlgesetzesänderung einzureichen.
Abgeordnete der Oppositionspartei CHP waren ebenfalls dort und kündigten an, sich anschließend zum Verfassungsgericht zu begeben. Daraufhin wurde bekannt, dass sich der Präsident des Verfassungsgerichts, Zühtü Arslan, mit Staatspräsident Erdoğan in dessen Palast verabredet hat.