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Aus Panzern und Munition lässt sich ordentlich Geld machen.

Munition für die Türkei-Debatte

Wie der Düsseldorfer Konzern Rheinmetall die deutsche Rüstungskontrolle legal umgeht und dabei gute Geschäfte im Land von Erdoğan macht.

JULIA MARIA AMBERGER, 2017-05-10

BERLIN taz | Schräg gegenüber vom Verteidigungsministerium duckt sich ein ausrangierter Leopard-2-Panzer vor das Maritim-Hotel. Drinnen plant sein Hersteller, der Rheinmetall-Konzern aus Düsseldorf, gerade die Strategien für das kommende Jahr. Draußen demonstrieren an die 200 Menschen dagegen.

Im Zentrum ihrer Kritik: eine Panzerfabrik, die Rheinmetall mit Partnern in der Türkei bauen will. Ausgerechnet dort also, wo Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Verfassung umschreibt, seine Macht ausweitet und seine Gegner mit ihrer Festnahme rechnen müssen.

„Unter solch labilen Bedingungen sollte man nicht den türkischen Staat aufrüsten und ihm helfen, eine eigenständige Rüstungsindustrie aufzubauen“, kritisiert Barbara Happe, Aktionärin bei Rheinmetall und bei der Nichtregierungsorganisation urgewald aktiv. Neben dieser Organisation beteiligen sich Campact, Aktion Aufschrei und Pax Christi an dem Protest.

Deutsche Exporte zur Heeresbewaffnung in der Türkei haben eine lange Tradition: Erst 2005 hat die türkische Armee knapp 300 ausgemusterte Leopard-2-Panzer der Bundeswehr erhalten. Dazu kamen in der Vergangenheit Fregatten, Sturmgewehre und Kleinwaffen.

Doch angesichts der politischen Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei hat sich die Situation verändert: Anfang 2017 lehnte die Bundesregierung elf Rüstungsexporte ab. Die Türkei ist zwar Mitglied der Nato. Aber aus besonderen politischen Gründen kann der Export von Kriegswaffen beschränkt werden – zum Beispiel aufgrund von Militäreinsätzen gegen Kurden im Südosten der Türkei.

Ein neuer Wachstumsmarkt

Deshalb würde sich die Türkei gerne unabhängig machen von den Rüstungsexport-Vorgaben von Deutschland, ohne deshalb auf die Expertise von Rheinmetall zu verzichten. Möglich wäre das durch die Gründung von gemeinsamen Unternehmen und den Aufbau von Fabriken.

„Die Pläne der Rheinmetall AG sind eine unternehmerische Entscheidung“, antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen in Bezug auf die Pläne des Konzerns in der Türkei. Solange die für eine Fabrik nötigen Güter und Technologien nicht aus Deutschland, sondern von einer Tochterfirma in Italien oder Südafrika geliefert würden, habe die Bundesregierung keinen Einfluss.

Rheinmetall sieht in der Türkei einen neuen Wachstumsmarkt. Mit der 100-prozentigen Tochter Rheinmetall Defence Türkei hat sich der Konzern dort eine Repräsentanz geschaffen, dazu kommen Beteiligungen an zwei Firmen. 2015 unterzeichnete Rheinmetall ein Memorandum of Understanding mit dem türkischen staatlichen Rüstungshersteller MKEK zur Produktion und Modernisierung von Munition.

Noch weiter fortgeschritten sind die Pläne für die Panzerproduktion: Rheinmetall beteiligt sich zu 40 Prozent an dem neuen Gemeinschaftsunternehmen namens RBSS, zusammen mit der türkischen Firma BMC und der Holding Etika Strategi aus Malaysia. Dem Hamburger Magazin Stern zufolge ist Rheinmetall bereits auf der Suche nach Managern und Ingenieuren für die Entwicklung und Produktion von gepanzerten Fahrzeugen.

Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit recherchiert seit Jahren über den Aufbau von Rüstungsfabriken des deutschen Konzerns im Ausland. „Auch wenn Rheinmetall die Schlüssel für eine Fabrik übergibt, macht die Firma damit ein Millionengeschäft“, erklärt er.

Zum einen wisse man, dass in den jeweiligen Ländern die Produktion mit Fehlern behaftet sei und man immer wieder um Unterstützung gebeten werde. Zum anderen erfordere der Aufbau beispielsweise einer Munitionsfabrik die Lieferung von Vorprodukten, etwa Bombenhüllen. „Das verschafft Rheinmetall einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Firmen.“

Weitere Projekte in Indonesien und Polen

Die Pläne in der Türkei sind ein Beispiel für die Internationalisierungsstragie des Konzerns. Während sich derzeit mehrere Rüstungsfirmen vom europäischen Markt Wachstum erhoffen, setzt Rheinmetall auf Länder wie die Saudi-Arabien oder Südafrika – vor allem im Muni­tions­geschäft.

Das Ziel: Geschäfte und Gewinne sollen auch dann realisiert werden, wenn Lieferungen aus Deutschland nicht genehmigt werden. So belieferte der Konzern beispielsweise Saudi-Arabien und baute dort eine Munitionsfabrik. Derzeit plant Rheinmetall weitere Gemeinschaftsprojekte in Indonesien und Polen.

Nassauer erklärt, wie es Rheinmetall gelingt, die Rüstungsexport-Vorgaben der Bundesregierung zu umgehen: „Entweder man lässt das begehrte Gut über Tochterunternehmen aus dem Ausland liefern oder man erbittet die Genehmigung zum Export Herstellungstechnologie, die man gegebenenfalls auch über eine Tochter im Ausland liefern kann“, erklärt er.

Die Bundestagsabgeordnete Katja Keul (Grüne) sieht die Bundesregierung in der Pflicht, ihre Exportvorschriften zu überarbeiten. Technische Unterstützung im Zusammenhang mit militärischer Endverwendung sei nach geltendem Recht nur im Ausnahmefall genehmigungspflichtig. „Damit wird entgegen der Behauptung der Bundesregierung sehr wohl deutsches Know-how auch im besonders sensiblen Bereich der Kriegswaffenproduktion ohne jede Kontrollmöglichkeit ins Ausland transferiert“, sagt sie.

Auf der Hauptversammlung im Hotel Maritim sagt Rheinmetall-Chef Armin Papperger, die beiden geplanten Fabriken in der Türkei seien „zurzeit nicht am Laufen“, sie hätten auch noch keine Genehmigung der türkischen Regierung. Die Strategie des Konzerns scheint aufzugehen: Der Konzernumsatz stieg im ersten Quartal um 14 Prozent auf 1.349 Millionen Euro. In der Verteidigungssparte wuchs er sogar um 16 Prozent auf 612 Millionen Euro.

JULIA MARIA AMBERGER, 2017-05-10
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