Beim Prozessauftakt in Istanbul lehnte das Gericht einen sofortigen Freispruch des Journalisten Deniz Yücel ab. Der Prozess wurde auf Dezember vertagt.
Am Donnerstag hat in Istanbul der Prozess gegen den Welt-Korrespondenten Deniz Yücel begonnen. Die halbstündige Verhandlung wurde in Abwesenheit des Angeklagten geführt. Vor Gericht hat ihn sein Anwalt Veysel Ok vertreten und den sofortigen Freispruch seines Mandanten gefordert.
Das Gericht hat in einem Zwischenurteil den Freispruch abgewiesen und die Verhandlung auf den 20. Dezember 2018 vertagt. Allerdings hat das Gericht Oks Antrag stattgegeben, dass Yücel, der sich seit seiner Haftentlassung im Februar diesen Jahres nicht mehr in der Türkei befindet, nicht für eine Stellungnahme in die Türkei reisen muss. Demnach soll in einem türkischen Konsulat in der Nähe seines aktuellen Aufenthaltsortes schriftlich die Aussage des Journalisten aufgenommen werden. Ok hatte argumentiert, dass sich Yücel „aus beruflichen Gründen im Ausland befindet“ und auch per Videoübertragung zur Verhandlung dazugeschaltet werden könne.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem deutschen Journalisten Terrorpropaganda sowie Volksverhetzung vor und fordert 4 bis 18 Jahre Haft. Als Beweise werden in der dreiseitigen Anklageschrift, die erst am Tag von Yücels Haftentlassung ausgestellt wurde, unter anderem acht Artikel angeführt, die der Korrespondent zwischen dem 19. Juni 2016 und dem 12. Dezember 2016 in der „Welt“ veröffentlicht hat, und die aus dem Deutschen ins Türkische übersetzt wurden. Über die Anklageschrift sagte Anwalt Ok, sie sei keineswegs juristisch und voller Übersetzungsfehler.
Deniz Yücel saß 367 Tage lang ohne Anklage im Hochsicherheitsgefängnis Silivri nahe Istanbul in Untersuchungshaft. Die Inhaftierung des Journalisten, der die deutsche und türkische Staatsbürgerschaft besitzt, löste eine diplomatische Krise zwischen der deutschen und türkischen Regierung aus.
Veysel Ok sagte im Anschluss an die Verhandlung: „Dieser Prozess hätte heute enden müssen. Mein Mandant hätte freigesprochen werden müssen, die Anklage gegen den Journalisten ist ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit. Ab jetzt geht alles einen bürokratischen Weg, Deniz wird in Deutschland aussagen. Früher oder später wird er freigesprochen werden.“
Erol Önderoğlu von Reporter ohne Grenze befürchtet, dass es schwierig werden könnte, das Gericht von Yücels Unschuld zu überzeugen, zumal seine Arbeit der AKP-Regierung immer schon ein Dorn im Auge gewesen sei. Er zeigt sich besorgt um die Zukunft Pressefreiheit: „Solange es solche Prozesse gibt, können Journalisten nicht im Sinne der öffentlichen Interesse ihrer Arbeit nachgehen. Wir fordern das Ende der Repressionen gegen Journalisten.“
Falls es zu einer Verurteilung kommt, wird Deniz Yücel, solange das Urteil rechtskräftig ist, nicht mehr in die Türkei einreisen können, ohne Gefahr zu laufen, ins Gefängnis zu kommen.