Am 6. April nimmt der neue Flughafen in Istanbul seinen Regelbetrieb auf.
Mit Grafiken, Videos, Reportagen und Interviews beleuchtet taz gazete die Folgen des Megaprojekts für Menschen, Umwelt und Wirtschaft.

Lesen Sie mehr unter
taz.atavist.com/istanbul-flughafen

Bildet die Türkei eine anti-westliche Achse mit dem Iran und Russland?

Die Grenzen der türkischen Außenpolitik

Angetreten mit der politischen Maxime, sich außenpolitisch keine Feinde zu machen, versucht die AKP heute, Realpolitik zu betreiben. Ob es fruchtet?

FATIH YAŞLI, 2018-05-09

Er war Ende des vorigen Jahres im Sudan, im Tschad und in Tunesien. Danach besuchte er Polen, Athen und den Vatikan: ein Stubenhocker ist Recep Tayyip Erdoğan wahrlich nicht. Bis auf die Visite im Kirchenstaat reiste der türkische Staatspräsident stets mit großem Gefolge: immer hatte er türkische Unternehmer im Schlepptau, die Geschäfte anbahnen sollten.

Für die Türkei sind Handel und Investitionen lebenswichtig, Ex- und Importe sind in den letzten Jahren geschrumpft – nicht zuletzt, weil das Verhältnis der AKP-Regierung zu den USA und der EU gespannt ist. Deshalb näherte sie sich immer stärker Russland an.

Das heisst aber nicht, dass sich die AKP die Türkei aus dem internationalen System herauslösen will. Die oft gehörte Behauptung, sie verfolge eine anti-amerikanische, anti-imperialistische Politik und sei gemeinsam mit Russland, Iran und China zu einem Mitglied der anti-westlichen „eurasischen Achse“ geworden, ist falsch.

Denn auch die Beziehungen zu Russland sind schwierig. Die AKP-Regierung kann dort vielleicht S-400-Raketen kaufen, aber Kredite aufnehmen kann sie nicht. Russische Investoren können nicht die Unternehmen aus dem Westen ersetzen, das russische Finanzkapital reicht nicht aus, um die Defizite der Türkei zu finanzieren.

AKP-Regierung will Spannungen abbauen

Ein Blick auf die Entwicklungen der letzten Monate zeigt, dass die Türkei weniger die Beziehungen zu den USA und zu Europa kappen will als vielmehr ein neues internationales Gleichgewichtsverhältnis anstrebt.

Im Februar konferierte der frühere US-Außenminister Rex Tillerson mit Erdoğan in Ankara, in Varna trafen sich einen Monat später die türkische Regierung und die EU-Spitze. Mit der gegen die syrischen Kurden gerichtete Militäroperation „Olivenzweig“ wollte Erdoğan den USA signalisierten: „Um Assad zu stürzen, können wir in Syrien wieder zusammenarbeiten.“

Die AKP-Regierung will Spannungen zu den USA und zu Europa abzbauen, sich erneut dem westlichen Block annähern und gleichzeitig ihre guten Verbindungen zu Russland bewahren.

Das wird nicht einfach sein. Denn Erdoğan ist für den Westen eine unberechenbare Figur. In den kommenden Monaten wird sich erweisen, ob die AKP die außenpolitischen Grenzen weiter austesten wird und ob sie ihre Haltung, mit beiden Seiten gut auszukommen, fortsetzen kann.

FATIH YAŞLI, 2018-05-09
ZURÜCK
MEHR VOM AUTOR